Fever-Tree Premium Tonic Water

Das war drin

Die Flasche ist durchsichtig, das goldene Etikett verspricht Premium Indian Tonic Water. Der Flakon fasst 200 Milliliter. Auf jeden Fall genug für einen doppelten Gin Tonic. Kronkorken runter, Gläser bereitstellen, eins mit Eis, eins ohne und ausgeschenkt. Kristallklare Farbe im Glas, feine Perlage nach erster optischer Prüfung. In der Nase erfrischend, feine Fruchtnoten: Melone, Rohrzucker, ein wenig dropsig. Im Vergleich zu herkömmlichen Tonics geschmacklich sanft. Feinperliges Moussieren, eine feine Balance aus Süße, Perlage und einem angenehm persistenten Bitterton. Die Textur ist cremig, sie unterstützt das Aroma der verwendeten Botanicals (sizilianisches Zitronenöl, kaltgepresstes Bitterorangenöl, Koriander und Ringelblume.) Der Abgang ist lang und harmonisch. Doch wer trinkt Tonic pur?

Und so wirkt der Stoff

„Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau“, sagt ein englisches Sprichwort. Und hinter jedem starken Longdrink sollte auch ein starker Filler stehen. Was man heute einfach so weggurgelt ist historisch betrachtet Medizin. Chinin, der Wirkstoff der Chinarinde, ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Alkaloide und seit dem 17. Jahrhundert wird es als Arznei verwendet. Tonic Water, frei aus dem Englischen übersetzt: die „stärkende Limonade“, hat seinen Ursprung in Peru. Dort kommt der Fever-Tree, der Cinchona-Baum, heute noch im Staatswappen vor. Der Legende nach half seine Rinde der Gräfin Cinchona über einen Malaria-Anfall hinweg. Der Gräfin zu Ehren bekam die Pflanze ihren botanischen Namen und ihre Heilkraft beförderte sie in die koloniale Reiseapotheke. Die Holländer bepflanzten Java damit, die Engländer Indien und die Sklavenhändler aller Länder das Kongo-Becken.

Eingesetzt wurde es gegen sämtliche kolonialen Zipperlein wie Malaria, Krämpfe und Fieber, aber auch als wehenförderndes Mittel. Zu hoch dosiert verwendete man es gerne für Abtreibungen. Obacht! Da die verschiedenen Sorten der Cinchona verschiedene Konzentrationen des Wirkstoffs Chinin enthalten, führte dies nicht selten zum Tod. Historisch gesehen wäre man ohne Chinarinde folglich zu völlig anderen Ergebnissen gekommen. Pur genossen ist Tonic Wasser auch heute nicht ohne Risiko: Wer während einer Schwangerschaft täglich mehr als einen Liter Tonic trinkt, geht ernsthafte Risiken für die Gesundheit seines Kindes ein! Die letale Dosis Chinin liegt übrigens, je nach Verfassung des Missbrauchers, bei acht bis zehn Gramm. Und Atemlähmung ist ein grausamer Tod.

„Das ist ja eine tickende Zeitbombe!“, denke ich, und gieße sofort Gin in meine Limo. Und genau das haben die Engländer in Indien damals auch gemacht. Weil die Malaria-Limo erbärmlich bitter war und nur mit Wasser und Zucker versetzt wurde, goss man kurzerhand ordentlich Gin hinein, spritzte gegebenenfalls mit etwas Limettenschale ab und setzte so unwissend einen Meilenstein der Kultur der alkoholischen Erfischungsgetränke. Niemand konnte ahnen, dass dieser Drink aus der Feldapotheke drei Jahrhunderte später die Queen Mum zum Fünfuhrtee bei Laune halten würde. Fever-Tree Tonic durfte sie jedoch nicht mehr genießen, dieses Hochleistungs-Tonic kam erstmals 2005 auf den englischen Markt. Und dank der Pfand-Gesetze ist es bislang nicht auf dem deutschen Markt erhältlich, es sei denn, Sie fragen Ihren Arzt oder Barkeeper.

Zuerst erschienen in: Welt am Sonntag.