Ein süßes Schlückchen Weihnachtszeit

Portwein wärmt von innen und lässt eisige Tage vergessen. Kaum ein anderes Getränk passt besser zum Winter – und zu dessen Küche.

Warum trinken die Deutschen eigentlich so viel Glühwein, aber kaum jemand Port? Das Fabelwesen aus Wein und Likör, seit Jahrhunderten Portugals Exportschlager Nummer eins, hat in Deutschland ein ähnlich altbackenes Image wie die alljährliche Ausstrahlung von „Dinner for One“ – wo neben Sherry, Weißwein und Champagner auch Portwein auf den Tisch kommt. Während hierzulande in jedem Winter rund 50 Millionen Liter Glühwein die Kehlen hinunterrinnen, darf Port höchstens einmal eine Sauce verfeinern.

Eine derart stiefmütterliche Behandlung hat er nicht verdient. Schließlich vereint der Portwein in sich nicht nur alle Vorzüge, die der Winter einem Getränk abverlangt. Dank seines Alkoholgehalts von 19 bis 22 Volumenprozent wärmt er den Mensch von innen und tröstet mit seiner natürlichen, runden Fruchtsüße über graue Wintertage hinweg. Und er ist ein uraltes Kulturgut: Ausgrabungen stützen die Vermutung, dass bereits in der Bronzezeit Reben im Tal des Flusses Douro angebaut wurden, rund 100 Kilometer nördlich der Stadt Porto im Norden Portugals. Die Hänge sind dort steil und felsig, die Arbeit auf den terrassierten Schieferverwitterungsböden mühsam. Wie auf einer Arche wachsen hier mehr als 80 autochthone Rebsorten. Eine Vielfalt wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Untrennbar verknüpft ist Portwein mit dem Namen der Stadt Porto, von deren Hafen aus sein Siegeszug um die Welt begann – dabei stammt er genau genommen gar nicht von dort, sondern aus der Schwesterstadt Vila Nova di Gaia am anderen Flussufer. Bis in die 60er-Jahre wurden die Weinfässer aus dem Anbaugebiet mit Booten den Douro hinunter nach Vila Nova di Gaia gebracht. Dort reift der Wein bis heute in den Lagern der großen Portweinhäuser, bis er nach zwei Jahren zu den verschiedenen Portweinstilen verschnitten wird.

Wie Sherry und Madeira gehört Port zur Gruppe der fortifizierten Weine, bei denen die alkoholische Gärung durch die Zugabe von Branntwein gestoppt wird. Das bewahrt die natürliche Süße im Wein. Rote Portweine – die weißen machen lediglich um fünf Prozent der gesamten Produktion aus – werden unterschieden als „Rubies“ und „Tawnies“. Rubies sind junge, fassgereifte Ports, benannt nach ihrer rubinroten Farbe. Die Tawnies werden nach der zweijährigen Lagerungszeit in lediglich 550 Liter fassende Holzfässer umgefüllt, in denen sie weiterreifen. Durch die größere Oxidationsfläche der kleinen Fässer bekommen die Tawnies ihre Farbe, die von Gelbtönen bis Rostbraun reichen kann.

Der König unter den Portweinen ist der Vintage Port – der einzige Port, der in der Flasche reift. Er wird nur in besonders guten Jahrgängen produziert und kann mühelos 50 Jahre und länger in der Flasche reifen. Exzellente Jahrgänge der letzten Dekade waren 2000, 2003 und 2007. Alle anderen Ports sind für den sofortigen Genuss abgefüllt. Im Übrigen sollten sämtliche Portweine wegen ihres hohen Alkoholgehaltes bei kühlen 12 bis 14 Grad genossen werden.

Trotz seines portugiesischen Ursprungs wird Portwein bis heute mit Großbritannien assoziiert. Die Engländer gelten als Entdecker des Ports und hielten lange das Exportmonopol. Eine Verbindung, die nicht aus Liebe entstand, sondern aus der Not geboren war: Nach Kriegsausbruch zwischen England und Frankreichim Jahr 1687 leerten sich auf der Insel schnell die Keller. Zunächst wurde französischer Wein mit absurd hohen Einfuhrzöllen belegt, bis schließlich ein Embargo den Import unterband. Man besann sich auf seinen alten Verbündeten und Handelspartner Portugal und wurde fündig – die Briten waren von dem neuen Wein begeistert.

Der Erfolg hatte aber auch seine Schattenseiten: Die Qualitäten waren wechselhaft, weil eifrige Plagiatoren begannen, den Port mit Holundersaft zu strecken. Vorgaben für die Weinproduktion existierten damals nicht. Um die Qualität besser kontrollieren zu können, gründeten zu Beginn des 18. Jahrhunderts vor allem englische Familien Handelshäuser in Vila Nova di Gaia. Graham’s, Taylor’s, Warre’s, Croft, Niepoort und Sandeman – bis heute die großen Namen des Portweins.

Doch auch die Portugiesen sorgten sich um die Qualität des Portweins. 1756 wurde vom portugiesischen Königshaus die Gründung der „Companhia Geral da Agricultura das Vinhas do Alto Douro“ verfügt, die fortan Gebietsgrenzen und Anbauzonen sowie die Regeln zur Herstellung des Weines festlegte. Die Satzung der Organisation sah vorsichtshalber auch die Rodung sämtlicher Holunderbüsche im Norden Portugals vor. Seitdem wurde das Gesetz immer wieder verändert und ergänzt, ist aber im Kern bis heute in Kraft.

Einer Änderung ist es zu verdanken, dass der Weinbau im Douro-Tal seit Mitte der 80er-Jahre einen Quantensprung in Sachen Qualität erlebte: Seit dem EU-Beitritt Portugals im Mai 1986 dürfen die Winzer ihre Weine eigenständig produzieren und vertreiben. Die bis dahin festgelegte Abhängigkeit von den Handelshäusern in Vila Nova di Gaia war damit Geschichte – und das Douro-Tal zu neuem Selbstbewusstsein erstarkt.

Unter anderem schloss sich unter dem Namen „Douro Boys“ eine Gruppe von fünf Winzern um Dirk Niepoort zusammen, Spross des gleichnamigen Traditionshauses. Die „Douro Boys“ konzentrieren sich auf das Terroir, die einzelnen Lagen und die eigenen Reben. Ihre Weine sind dicht, kraftvoll und komplex und vereinen alle Aromen der Weinwelt in sich: von roten Früchten über Beeren bis zu Schokolade, Kräutern und Gewürzen. Diese Aromenvielfalt macht sie zu idealen Begleitern der winterlichen und besonders der weihnachtlichen Küche. Sie passen zu jeder Art von Weihnachtsgebäck, ob mit Schokolade, Nüssen oder kandierten Früchten. Falls es würziger sein darf, servieren Sie dazu Blauschimmelkäse und Weißbrot. Aber auch zu kräftigen Schmor- und Wildgerichten ist Portwein eine feine Ergänzung. Denken Sie sich einfach die Preiselbeeren weg und nehmen Sie stattdessen: ein Schlückchen Port.

Sebastian Bordthäuser ist Sommelier in Steinheuers Restaurant „Zur Alten Post“ in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Erschienen in der Welt am Sonntag.