Auf der Suche nach dem echten Zisch

„Ein ernst zu nehmender Staat benötigt eine eigene Fluggesellschaft und ein eigenes Bier. Eine Fußballmannschaft oder Nuklearwaffen helfen, aber ein Bier ist Minimalvoraussetzung“, so Frank Zappa. Eine gute Aussage, doch Bier allein ist nur der schnöde Treibstoff für die Maschine des Alltags. Der Freizeitwert eines Landes wird verkörpert von einem Getränk bar jeder Funktion: Limonade.

Limonade ist Urlaub, Freibad, Sonnenschein. Sie ist kein notwendiges Glied in der Nahrungskette, im Grunde ist sie überflüssig wie ein Kropf, denn sie hat zu viel Zucker, sie macht dick und sie hat keinen weiteren Effekt außer dem, dass sie glücklich macht. Sie ist somit die schönste Nebensache der Welt, mindestens aber im Sommer.

Was dem Frank Zappa sein Bier, dient einem Keith Richards als würdiges Mixgetränk für seinen Wodka. Sein Favorit: Sunkist. Der Name seines selbst kreierten Drinks: Nuclear Blast. Bombastisch!

Die heutige blühende Limonadenlandschaft in all ihrer Vielfalt ist kein Vergleich zu dem eher tristen Angebot damals: Früher, ja, da bekam man meist nur die Limonade serviert, deren Name auch die Aschenbecher und Sonnenschirme des Lokals zierte. Das hat sich in den vergangenen zehn Jahren geändert. Alte Marken werden wiederbelebt oder können sich dank des anhaltenden Retrotrends wieder Marktsegmente sichern.

Die Limonaden, die wir früher als Kinder in den Ferien getrunken haben, sind heute überall erhältlich. Dazu kommen neue Produkte, die mit außergewöhnlichen Geschmacksrichtungen und ökologischen Konzepten das Angebot bereichern: Fair gehandelte Rohstoffe spielen zunehmend eine Rolle, ebenso wie kurze Vertriebswege sowie der Verzicht auf Einwegverpackungen.

Ein neues Bewusstsein für Regionalität hat nicht nur die deutschen Küchen, sondern auch die Kühlschränke des Landes erreicht. Dazu kommt ein genereller Wandel in der Gastronomie: Es darf nicht mehr geraucht werden in den meisten Lokalen, und alkoholfreie Erfrischungen waren nie so gefragt wie heute. Und so bieten die neuen und alten Limonaden neben Wein und Bier der Gastronomie heute eine Chance, sich neu zu positionieren und ihre Getränkekarten zu einer Visitenkarte mit eigenständiger Handschrift zu gestalten, statt nur fantasielos Cola/Fanta/Sprite aufzulisten.

Die Ursprünge der Limonade liegen weitgehend im Dunkeln. Es wird vermutet, dass sie aus dem Mittelmeerraum kommt, wo die „Limonata“, das Zitronenwasser, bereits seit dem 16. Jahrhundert als Erfrischung populär war. Limonade ist getränketechnisch zwischen Wasser, Saft und Aufgussgetränken angesiedelt. Das Prinzip ist einfach: Eine balancierte Mischung aus Säure der Limone oder Zitrone und Zucker im Verhältnis 1:2 wird mit Wasser verdünnt – und fertig ist die Erfrischung.

Und weil Zitronensäure die Eigenschaft besitzt, Aromen zur Entfaltung zu bringen, und Zucker den Geschmack verstärkt, waren auch bald andere Geschmacksrichtungen wie Orange, Rose oder mit Beeren und Gewürzen aromatisiertes Wasser beliebt. Dies waren jedoch zunächst alles stille Getränke, es fehlte noch der letzte Kick: die Kohlensäure.

Dem britischen Apotheker und Chemiker Thomas Henry aus Manchester war es 1773 gelungen, Wasser mit Kohlensäure anzureichern. Historisch gesehen war diese Neuerung wie die meisten Erfindungen zunächst von militärischem Interesse: Sie diente der Konservierung von Trinkwasser für Seefahrten und damit zum Erhalt der Moral der Seemänner, die sich bis dahin mit Pale Ale und Portwein erfrischen mussten. Von dort fand die Kohlensäure schnell den Weg in die Limonade, und seitdem hat sich am Grundprinzip eigentlich nichts mehr geändert: Wasser, Kohlensäure, Zucker, Zitronensäure, Fruchtsaft und Aromen.

Warme Limonade ist ungenießbar – was darauf zurückzuführen ist, dass unsere Geschmackswahrnehmung von Zucker mit der Temperatur steigt. Je kälter man also die Limonade zu sich nimmt, desto weniger süß schmeckt sie und desto klarer treten ihre Aromen in den Vordergrund. Der wichtigste Parameter beim Verkosten von Limonaden ist folglich die Serviertemperatur: 3 bis 6 Grad Celsius sind ideal. Ein weiteres Kriterium ist der Kohlensäuregehalt. Schenken wir Limonade aus großen Flaschen in kleinere Gläser, geht ein Teil der Kohlensäure verloren, die Glasöffnung begünstigt das weitere Schalwerden der Limo.

Verkostet wurde folglich gut gekühlt bei vier Grad Celsius, standesgemäß aus der kleinen Flasche mit Trinkhalm.

1. Fritz-Limo Zitronenlimonade

Die Zitronenlimo stammt aus dem Hause Fritz-Kola, einer Hamburger Neugründung von Lorenz Hampl und Mirco Wolf Wiegert aus dem Jahre 2003, die den großen Bruder in Atlanta das Fürchten lehren wollen. Die naturtrübe Limonade enthält 5,6 Prozent Saft aus Zitronensaftkonzentrat.

Die mattgelbe Limo hat in der Nase pure Zitrone mit Tönen von der Zeste und den darin enthaltenen Zitrusölen. Am Gaumen überzeugt sie mit druckvoller Kohlensäure, feiner Perlage, saftig-stoffig im Mund mit moderater Süße, vielschichtig und abgerundet durch einen Touch Orange und einem dezenten Bitterton.

fritz-kola.de

2. LemonAid

Die Macher der biozertifizierten Limonen-Limonade aus Hamburg haben alles richtig gemacht. Seit 2009 wird hier serviert, was Limonade ausmacht. Im Fall von LemonAid setzt sich jene Rezeptur aus 10 Prozent Limettensaft aus Direktsaft und Rohrzucker zusammen. Beides aus biologischem Anbau und fairem Handel, versteht sich. Das Motto: LemonAid – trinken hilft.

Die naturtrübe Limonade zeigt in der Nase deutlich Limette und Rohrzucker, erfrischt am Gaumen durch Limettensäure und ist vielschichtig durch den Rohrzucker. Ein Getränk mit Körper und der Erinnerung an einen alkoholfreien Caipirinha. Ein ausgewogenes Geschmacksbild mit guter Länge. Alles in allem eine Limonade im Sinne des Wortes – purer geht es nicht. Der Hersteller bietet auch ein Teegetränk aus fair gehandelten Rohstoffen an: den ChariTea. Die Möglichkeiten der Wortspiele bestimmen die Produktpalette, aber noch nie war helfen so wohlschmeckend. Lemon-aid.de

3. Belvoir Holunderblütenlimonade

Familie Manners betreibt in dritter Generation bei Lincolnshire in England eine Limonadenmanufaktur. Alle Zutaten werden dort von Hand verarbeitet. Reduziert aufs Maximum, enthält diese Limonade der Extraklasse nur Quellwasser, Holunderblüten, Rohrzucker und Zitronensaft, natürlich alles aus kontrolliertem Bio-Anbau. Eine bessere Holunderblütenlimonade hat der Markt momentan nicht zu bieten.

Die Nase ist Holunderblüte pur, die Kohlensäure ist verhalten, ein exquisiter Trinkbeschleuniger. Duftig, floral, pur oder zum Mischen. Erhältlich über Gourmondo.de

4. Thomas Henry Bitter Lemon

Eine Neugründung aus Hamburg, benannt nach dem gleichnamigem Apotheker und Chemiker Thomas Henry aus Manchester/England. Sebastian Brack und Norman Sievert riefen 2010 die Firma für mehr Geschmacksvielfalt auf dem Markt ins Leben. Besonders mundete beim Test das Bitter Lemon. Bedauerlicherweise ist dieses nur im Fachhandel zu beziehen, ein Gang zum Barkeeper des Vertrauens bleibt also unerlässlich.

Die naturtrübe Limonade mit grünem Reflex hat eine brillante Nase nach Zitronen, Zesten und den Ölen. Am Gaumen eine ausgeglichene Balance von herber Zitrone, Süße und der Bitterkeit des Chinins. Kleinperlige, aber druckvolle Perlage, mittel schäumend im Mund mit seidiger Textur und sehr guter Länge. Aufgrund der Null-Toleranz für Bitterstoffe bei Kindern ist diese Limonade nur für Erwachsene zu empfehlen. Seit Kurzem hat Thomas Henry für den Endverbraucher eine Grapefruitvariante auf dem Markt. Thomas-henry.de

5. Fentimans Dandelion & Burdock

Die Firma Fentimans, 1905 gegründet und 1988 reanimiert, stellt fermentierte Limonaden auf Ingwerbier-Basis her. Ingwer und Pflanzenauszüge werden vergoren, ein leichter Alkoholgehalt unter 0,5 Prozent bleibt dabei bestehen, sodass Fentimans als Soft Drink oder Limonade deklariert werden darf. Das so entstandene Ingwerbier ist Basis aller Fentimans-Limonaden und ebenso der Grundbestandteil der Kletten und Löwenzahnvariante. Ein Sirup aus frischem Löwenzahn und Kletten wird mit der Basislimonade versetzt, wobei eine sehr außergewöhnliche Limonade entsteht. Dunkelbraun, etwas heller als Cola und klar.

In der Nase ein wilder Mix aus Hubba Bubba, Omas Löwenzahnsirup, Persipan, gebrannten Mandeln und Fenchelöl. Am Gaumen keineswegs so süß, wie es die Nase erwarten lässt. Eine feingliedrige Kohlensäure zieht sich wie eine Perlenkette durch dieses barocke Vergnügen. Eine gehaltvolle, vielschichtige Limonade für Whiskey- und Portliebhaber. Erhältlich bei Manufactum.de

6. Old Jamaica Ginger Beer

Das Einzige, was es an diesem Produkt zu bemängeln gibt, ist die Verpackung: So ist das Ginger Beer nur im Blechgewand oder in der PET-Flasche erhältlich. Das sollte aber auch schon der einzige Stein des Anstoßes sein, da bei dieser würzig-scharfen Ingwer-Limonade geschmacklich ansonsten alles im Lot scheint.

Trüb im Glas hat sie in der Nase deutlich den vergorenen Ingwer, aber auch einen Hauch von Citrus und vegetabilen Noten. Am Gaumen ist sie stoffig-süß mit angenehmer, nachhallender Schärfe und einem fein-würzigen Kräuterton. Hervorragend zum Mixen geeignet. Bezug über: English-shop.de

7. Chabeso

Die deutsche Vorkriegslimonade schlechthin. Das 1914 von Dr. Büschler kreierte Chabeso wurde ursprünglich als Wellnessdrink und auf Basis rechtsdrehender Milchsäuren mit einem Zusatz von frischen Früchten konzipiert. Vielfach international ausgezeichnet beendete der Zweite Weltkrieg die Erfolgsgeschichte der Chabeso. Die damals auf internationalen Ausstellungen errungenen Medaillen zieren noch heute das Etikett im Retrolook. Seit 2000 von der Brauerei S. Riegele in Augsburg wiederhergestellt, schickt sich die Limo an, den Limonadenmarkt erneut zu revolutionieren.

Glasklare Limonade, fruchtig ohne Spezifikation in der Nase, Tutti Frutti trifft es am besten. Sehr cremige Textur dank der Milchsäurebakterien, erinnert ein wenig an Cream-Soda. Fruchtig frisch, nicht zu süß. Einwandfreie Ware. Auch heute noch steht im Raum Augsburg ein Chabeso für eine klare (Zitronen-)Limonade. Chabeso.de

8. Inca Kola

Die peruanische Limonade Nummer eins. 1910 von einem britischen Immigranten in Lima entwickelt, hat das gelbe Getränk wenig mit der gängigen Vorstellung einer Cola gemein. Der kleinste gemeinsame Nenner ist dabei gerade einmal das darin enthaltene Koffein.

Von der Nase her erinnert Inca Kola eher an Uludag, die türkische Brause, die nach Gummibärchen schmeckt. Geschmacklich zwischen Ginger Beer, Cola und Cream Soda anzusiedeln.

9. Calpico

Eigentlich Calpis, ist ein japanischer Softdrink ohne Kohlensäure auf Milchbasis. Calpico wird mit einem Lactobazillus geimpft und erinnert geschmacklich an ein Joghurtgetränk mit sehr flüssiger Konsistenz.

In der Nase dominieren Zitrusaromen und ein wenig Joghurt, am Gaumen eine elegante Fruchtsüße. Zitronensäure und Milchsäure ergänzen sich harmonisch und geben dem leicht milchigen Mundgefühl etwas Spritzigkeit. Der perfekte Drink für die erste Hälfte des Tages. Erhältlich in einer Reihe von Geschmacksrichtungen wie Weintraube, Macha (Grüntee), Guave, Ananas, japanische Mandarine und Pfirsich. Calpico-Mango stach beim Geschmackstest besonders hervor. Erhältlich in gut sortierten Asia-Läden oder online bei: Asianbrand.de

10. Bio Zisch Rhabarber

Die Trendschorle der letzten Jahre nun endlich schon fix und fertig gemixt in der Flasche. Die enthaltenen 11 Prozent Rhabarbersaft sind als Gemüsesaft deklariert. Gesüßt mit natürlichem Bio-Traubenzucker wird das Erfrischungsgetränk mit Quellkohlensäure versetzt und von Voelkel in gut sortierten Bioläden angeboten.

Sehr säurebetonte Schorle mit dem typischen Adstringens der Oxalsäure, die nur in Maßen und unbedingt ausschließlich als Schorle genossen werden sollte.

11. Rivella Classic

Rivella ist „die“ Schweizer Limonade mit 35 Prozent Milchserum und folgt Coca-Cola auf der Beliebtheitsskala. Gegründet 1952, ist sie mittlerweile auch als Rivella Grün mit Grüntee-Extrakten und Rivella Blau mit Zuckeraustauschstoffen erhältlich.

Hellgelb mit grünlichen Reflexen, laktisch in der Nase, viel kleines CO*, eine stringente kleinperlige Kette Kohlensäure. Am Gaumen bestimmt von feiner Milchsäure, die sich an die Kohlensäure schmiegt, süßer Kern mit krispem Abgang. Sehr erfrischend! Zu beziehen im Fachhandel oder über den Rivella-Finder auf:Rivella.de

12. FOCO Roasted Coconut Juice

Fruchtnektar aus 80 Prozent Kokosnuss. Geröstete Stückchen und junger Kokosnusssaft ergeben mit ein wenig Wasser, Zucker und etwas Ascorbinsäure zur Stabilisierung dieses cremig süße Nussvergnügen. Trink-Rafaello dürfte es treffend bezeichnen, nur eben etwas weniger süß. Im Asia-Laden oder über: Asia-markt-105.com erhältlich.

13. Lurisia, La Nostra Gazzosa

Eine artisanale Limonade von der Amalfitana. Amalfi-Zitronen, eine eher süße und dickstachelige Variante der gemeinen Hauszitrone, werden auf Terrassen kultiviert und dank ihrer Säurearmut auch als Gemüse, als Carpaccio und Antipasti verwendet. Sie genießen den herkunftsgeschützten Status der IGP, Indicazione Geografica Protetta. Es sind die feinen Zitrusöle der Schale und nicht die barbarische Säure des Fruchtfleisches, die dieser Limonade ihre Frische verleihen. Erhältlich bei Manufactum.de

14. La Mortuacienne Pamplemousse, L’Authentique Artisanale

Die Königin der Limonaden, laut Etikett, verspricht seit 1921 reinen Zuckergenuss. Bestehend aus natürlichen Inhaltsstoffen, verschafft ihr ein organischer Farbstoff eine altrosa Farbe.

Die Nase strotzt vor Pampelmuse, ist herb und sehr reintönig. Im Mund ergibt sich ein kräftiges, aber feines Mousseux, schäumend, mit ausgeprägtem Pampelmusen-Aroma, allerdings fehlt der Bitterton der Pampelmuse. Ein wenig Bonbon-Wasser mit hohem Spaß-Faktor. Tradoria.de

Bordthäusers Himbeer-Limonade

Am besten hochreife, frische Himbeeren verwenden, wobei auch Tiefkühlware verwendet werden kann. 500 g Himbeeren in ein Küchensieb geben und mit etwas Puderzucker andrücken und kurz ziehen lassen. Den Saft in einer Schüssel auffangen. Es dürfen keine Kerne in den Saft gelangen. Für einen Liter Himbeerlimonade werden benötigt:

120 ml Himbeersaft; 200 ml Läuterzucker, gekocht aus 100 g Zucker und 100 ml Wasser; 150 ml frisch gepressten und gesiebten Limettensaft. Mit 530 ml kräftig sprudelndem, möglichst natriumarmem Mineralwasser aufgießen und auf Eis servieren. Zur Deko einen Zweig frischer Minze und ein paar formschöne Himbeeren beigeben.

Sebastian Bordthäuser ist Sommelier in Steinheuers Restaurant „Zur Alten Post“ in Bad Neuenahr

 

Zuerst erschienen in Welt am Sonntag